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AutorenbildNicola Riccetti

Kann man sich an SARS-CoV-2 reinfizieren?

Diese Frage wird seit dem Frühstadium der Pandemie gestellt, weil sie von großer medizinischer, gesundheitspolitischer und epidemiologischer Bedeutung ist. Aber was wissen wir schon darüber? Welcher Mechanismus liegt der Krankheitsresistenz und Reinfektion zugrunde?


Lebewesen sind vor potenziellen Krankheitserregern durch ihr Immunsystem geschützt. Dieses Immunsystem ist schematisch in zwei Untersysteme unterteilt: ein unspezifisches Immunsystem (die so genannte angeborene Immunität) und ein spezifisches Immunsystem (die so genannte adaptive Immunität). Wie der Name andeutet, weist das erste System, das anatomische Barrieren (Haut, Schleimhaut), physiologische Barrieren (Temperatur, pH-Wert, chemische Mediatoren), zytologische und entzündliche Barrieren umfasst, kein spezifisches Merkmal auf, das auf Art oder Typ des Krankheitserregers beruht. Andererseits basiert das zweite System, das aktiviert wird wenn das angeborene System überholt ist, darauf, den Erreger der Krankheit zu erkennen. Dabei findet eine erregerspezifische immunologische Reaktion statt, als auch die Entwicklung ein immunologisches Gedächtnis des Erregers, was eine schnellere Reaktion auf eine neue Infektion mit demselben Erreger ermöglichen würde.

Praktisch bedeutet dies, dass sich das Immunsystem eines Lebewesens den Erreger, mit dem es in Kontakt gekommen ist, merken würde, um bei einer künftigen neuen Begegnung besser reagieren zu können.

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um dasselbe Prinzip wie bei Impfungen (bei denen anstelle des vollständigen Erregers weniger oder keine gefährlichen Teile und/oder Versionen bzw. Informationen davon verwendet werden). Kurz gesagt: erregerspezifische Antikörper verleihen also eine so genannte Immunität. Diese Immunität kann vorübergehend (z. B. Immunität gegen Norovirus) oder lebenslang anhaltend sein (z. B. Immunität gegen Masern oder Windpocken).


Zum spezifischen Thema des COVID-19 ist es aufgrund der kurzen möglichen Nachbeobachtungszeit noch schwer, über Immunität und damit über mögliche Reinfektionsraten zu diskutieren. Chris Stokel-Walker schrieb im British Medical Journal, dass die Immunität gegenüber COVID-19 "[...] eine der größten Unbekannten" sei. Weltweit wurden mehr als 31 bestätigte Fälle von COVID-19-Reinfektionen registriert. Es besteht jedoch die Sorge, dass diese niedrigen Zahlen durch das Fehlen wissenschaftlicher Studien, die aktiv nach Reinfektionen suchen, beeinflusst sein könnten.

Tatsächlich gelten die meisten Reinfektionen als weniger schwerwiegend als die Erstinfektion und werden daher höchstwahrscheinlich weder diagnostiziert noch registriert.

In Großbritannien wurde keine symptomatische Reinfektion während der zweiten Welle (Okt-Nov 2020) unter den 11.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen, mit einer bestätigten COVID-19-Infektion aus der ersten Welle (März-Apr 2020), registriert. Daher könnte man von einer sechsmonatigen Immunität ausgehen. Für die Immunität über längere Zeiträume liegen jedoch nur wenige Informationen vor.


Wenn man gezwungen ist, Vermutungen zu diesen Raten zu äußern, könnte eine mögliche Parallelität zum ähnlichen SARS-CoV-Virus gezogen werden, das für das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS) verantwortlich ist. In mehreren Studien wurden SARS-CoV-Patienten beobachtet, und bei 100 % der beobachteten SARS-CoV-Patienten waren 90 Tage nach dem Kontakt mit der Krankheit erregerspezifische Antikörper vorhanden, die bis zum 200. Tag stabil blieben. Zwei Jahre nach dem Kontakt mit der Krankheit wiesen etwa 90 % der beobachteten SARS-CoV-Patienten immer noch spezifische Antikörper auf. Nach drei Jahren behielten 50 % der beobachteten Patienten spezifische Antikörper, während nach sechs Jahren die Menge auf ca. 9 % der Patienten zurückging.


Wenn also SARS-CoV-2 das Modell von SARS-CoV replizieren sollte, würde die große Mehrheit der (oder sogar alle) Patienten erregerspezifische Antikörper entwickeln. Diese würden etwa drei Monate nach der Infektion ihren Höhepunkt erreichen und etwa zwei Jahre nach der Infektion vorhanden bleiben, was praktisch zwei Jahre potenzielle Immunität gegen die Krankheit bedeuten würde.




Literatur


Bonilla FA, Oettgen HC: Adaptive immunity. Journal of Allergy and Clinical Immunology, Volume 125, Issue 2, Supplement 2, 2010, Pages S33-S40, ISSN 0091-6749, DOI: 10.1016/j.jaci.2009.09.017.


Hoffmann M, Kleine-Weber H, Krüger N, Müller M, Drosten C, Pöhlmann S: The novel coronavirus 2019 (2019-nCoV) uses the SARS-coronavirus receptor ACE2 and the cellular protease TMPRSS2 for entry into target cells. bioRxiv 2020.01.31.929042; DOI: 10.1101/2020.01.31.929042


Lin Q, Zhu L, Ni Z, Meng H, You L. Duration of serum neutralizing antibodies for SARS-CoV-2: Lessons from SARS-CoV infection [published online ahead of print, 2020 Mar 25]. J Microbiol Immunol Infect. 2020;S1684-1182(20)30075-X. DOI:10.1016/j.jmii.2020.03.015

Stokel-Walker C.: What we know about covid-19 reinfection so far. BMJ 2021;372:n99; DOI:10.1136/bmj/n.99


Warrington R, Watson W, Kim HL, Antonietti FR: An introduction to immunology and immunopathology. All Asth Clin Immun 7, S1 (2011). DOI: 10.1186/1710-1492-7-S1-S1

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