Der Beginn der modernen Epidemiologie kann auf das 19. Jahrhundert festgelegt werden. Es gab schon früh Ansätze, die sich mit Krankheiten, deren Ausbreitungen und ihren Risikofaktoren beschäftigten, jedoch hat sich die Disziplin in den letzten Jahrzehnten gefestigt. Seitdem ist dieser Forschungsbereich aus dem wissenschaftlichen Sektor nicht mehr weg zu denken.
Im folgenden werden einige Personen, die maßgebend zur Epidemiologie beigetragen haben, kurz dargestellt.
460 v.Chr. EPIDEMIOLOGIE UND INFEKTIONSKRANKHEITEN
HIPPOKRATES VON KOS
Hippokrates war ein griechischer Arzt und Lehrer. Seinen Ruf als Vater der Medizin verdankt er seinem Ansatz, “erdliche” Ursprünge für Krankheiten zu suchen, statt wie viele seiner Zeitgenossen Götter oder Dämonen dafür verantwortlich zu machen. Schon früh identifizierte Hippokrates „Luft, Wasser und Orte“ als mögliche Umweltfaktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen können. Damit leitete er einen Wandel weg von Mystik und Religion hin zu Observation und Logik ein.
Außerdem befasste sich Hippokrates in seinen Werken viel mit Krankengeschichten und Therapieanweisungen, die dem Arzt bei seinen Diagnosen und Prognosen halfen. Ihm war früh klar, dass nicht nur operative Eingriffe und Arzneimittel zu einer verbesserten Gesundheit führen konnten, sondern auch Maßnahmen wie Diäten, Bewegung, und Lebensumstellungen.
17./18. Jahrhundert VERGLEICHEN VON KRANKHEITSHÄUFUNGEN UND INFEKTIONEN
GIOVANNI MARIA LANCISI (1654-1720)
Viele Krankheiten, unter anderem Malaria, konnten in ihrer Häufigkeit aufgrund von verbesserter Hygiene und Trockenlegungen von Sümpfen reduziert werden.
JOHN GRAUNT (1620-1674)
Als einer der ersten Experten im Bereich der Epidemiologie wird der englische Kurzwarenverkäufer John Graunt angesehen. Seine Arbeiten zählen zu den Gründungen der Demographie, da sich diese mit Gesundheitsstatistiken beschäftigten. Er entwickelte Statistik- und Zensusmethoden, berechnete Sterbetafeln mit Überlebenswahrscheinlichkeiten für jedes Alter und beobachtete Muster in Geburten, Todesfälle, Krankheitshäufigkeiten, Kindersterblichkeiten und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, Stadt und Land, sowie den saisonalen Bedingungen.
PERCIVALL POTT (1714-1788)
Kinderarbeit war in der frühen Zeit der Industrialisierung weit verbreitet. Häufig waren Waisenkinder als Schornsteinfeger unter schwersten Lebensbedingungen tätig. Später, in der Pubertät, zeigten sich schlimme schmerzhafte und tödliche Erkrankungen, häufig im Genitalbereich. Dem englischen Chirurgen viel dabei die Häufung von Krebs des Hodensacks bei Schornsteinfegern auf. Seine Veröffentlichung aus dem Jahr 1775 gilt als erste Erwähnung von umweltbezogenen, schädlichen und chemischen Karzinogenen, die letztendlich Krebs verursachen.
Daneben erlangte er großen Einflusses durch seine analytischen Beschreibungen anderer klinischer und pathologisch-anatomischer Beobachtungen, sein Name ist in mehreren medizinischen Bezeichnungen zu finden.
JAMES LIND (1716-1794)
Die im 18. Jahrhundert vorkommende Krankheit Skorbut, die vor allem bei Seeleuten als die Haupt-Todesursache zählte, beschäftigte den schottischen Schiffsarzt James Lind zu seiner Zeit bei der Marine. Noch heute sind seine Experimente zur Behandlung von Skorbut populär und gelten zu den ersten Beispielen für „randomisierte Studien“. In seinen Versuchen teilte er zwölf Matrosen mit Skorbut in 6 Gruppen ein. Alle Gruppen erhielten die gleiche Grundversorgung, und zusätzlich einen besonderer Nahrungszusatz. Täglich gab es für Gruppe 1 einen Liter Apfelwein, Gruppe 2 bekam 25 Tropfen Schwefelsäure, Gruppe 3 sechs Löffel Essig, Gruppe 4 einen viertel Liter Seewasser, Gruppe 5 zwei Apfelsinen und eine Zitrone sowie Gruppe 6 eine Gewürzpaste und Gerstenwasser. Nach einigen Tagen stellte sich ein klarer Erfolg in Gruppe 5 heraus, denn beiden Matrosen ging es deutlich besser und konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen. Heute weiß man, das Skorbut eine Folge von Vitaminmangel ist.
19. Jahrhundert ZUSAMMENHÄNGE VON UMWELT UND ERREGER
WILLIAM FARR (1807-1883)
Aufbauend auf der Arbeit von John Graunt, beschäftigte sich der englische Epidemiologie William Farr mit Sterblichkeitsstatistiken, wodurch er heute als Vater der modernen Vitalstatistik und Surveillance gilt. Schwerpunkte seiner Arbeit lagen im Sammeln und Auswerten von Vitalstatistiken sowie der Berichterstattung an die Gesundheitsbehörden und der Öffentlichkeit. Während der Pockenepidemie erkannte er ein „glockenförmiges“ Muster (Normal-Kurve) bei der graphischen Darstellung von Todesfällen pro Quartal, welches Ähnlichkeiten in Mustern bei vorhergehenden Epidemien zeigte.
JOHN SNOW (1813-1858)
Das wohl berühmteste, epidemiologische Beispiel stammt von dem Begründer der Epidemiologie John Snow. Im Jahre 1854 untersuchte Snow einen Cholera Ausbruch im Londoner Stadtteil Soho. Durch Befragung der Anwohner und mit Hilfe einer Karte des Viertels konnte Snow beobachten, dass die Erkrankungen in bestimmten Haushalten gruppiert waren. Eine Gemeinsamkeit dieser Haushalte war die Nutzung der gleichen Pumpe. Snow konnte die lokalen verantwortlichen überzeugen, die Pumpe stillzulegen. Auch wenn der Cholera-Ausbruch zum Zeitpunkt seiner Entdeckung bereits abschwächte, wurde dadurch ein möglicher zweiter Ausbruch verhindert. Wie sich später herausstellte war die Wasserquelle der Pumpe durch Abwasser kontaminiert.
Die eigentliche Erkenntnis war jedoch, dass Cholera über kontaminiertes Wasser verbreitet wurde. Snow identifizierte die Wasserqualität als Risikofaktor für die Erkrankung an Cholera. Zu der damaligen Zeit war nur wenig über die Übertragungswege von Krankheiten bekannt. Im Gegenteil ging ein großer Teil der medizinischen Gemeinschaft davon aus, dass Krankheiten nicht von Keimen, sondern von „schädlicher Luft“ übertragen wurden. Die Keimtheorie im Bezug auf Krankheiten sollte erst später durch Louis Pasteur in Europa etabliert werden.
IGNAZ SEMMELWEIS (1818-1865)
Heute als wichtiger Epidemiologe anerkannt, hatte Semmelweis zu seiner Zeit keinen einfachen Stand unter seinen Berufsgenossen. Während seiner Arbeit in der pädiatrischen Abteilung in Wien wurde er Zeuge des Kindbettfiebers, das zu dieser Zeit viele Mütter in ganz Europa das Leben kostete. Das einzigartige System des Wiener Krankenhauses machte eine wichtige Beobachtung für Semmelweis möglich. In diesem Krankenhaus wurden werdende Mütter einer von zwei Kliniken zugewiesen. In der ersten Klinik wurden Medizinstudenten und in der zweiten Klinik Hebammen unterrichtet. Während die Klinik mit den Medizinstudenten eine Müttersterblichkeit von 10% aufzeigte, waren es in der Klinik mit den Hebammen nur 4 %. Daraus folgerte Semmelweis, dass die Ärzte selbst die Ursache für die Krankheit sein könnten.
Tatsächlich wechselten die Ärzte und Studenten frei zwischen Autopsie und Klinik ohne jegliche Desinfektion. Da die Existenz von Keimen zu dieser Zeit noch nicht akzeptiert war, vermutete Semmelweis eine Art morbide Substanz als Auslöser, die von den Ärzten aus der Autopsie in die Klinik übertragen wurden. Folglich forderte Semmelweis Maßnahmen wie Händewaschen und Desinfektion mit Chlorkalk für alle Ärzte und Studenten bevor sie von der Autopsie in die Klinik zurückkehrten. Die Müttersterblichkeit konnte auf das gleiche Niveau wie in der Klinik der Hebammen reduziert werden. Dies ist gleichzeitig eines der ersten Beispiele für evidenzbasierte Medizin.
FLORENCE NIGHTINGALE (1820-1910)
Die Krankenschwester Florence Nightingale, verschrieb sich nicht nur der Pflege von Patienten, sondern auch der Reform des Armen-Gesetzes in Großbritannien. Im Jahr 1854 erfragte der britische Kriegsminister ihre Hilfe an der Front der Krimkriege. Dort stellt Nightingale fest, dass mehr als tatsächliche Kriegswunden, vor allem Infektionen, schlechte Ernährung und Hygiene, sowie fehlende Medikamente als Todesursachen auftraten. Durch Verbesserungen der Kanalisation und Ventilation konnten die Todesraten im Militärkrankenhaus drastisch reduziert werden.
Diesem Erfolg folgen engagierte sich Nightingale weiter im Feld der Public Health (Öffentlichen Gesundheit). So fand sie heraus, dass viele der Probleme, die sie bei ihrem Einsatz fand, auch in der Heimat die Gesundheit der Soldaten beeinflussten. Ihr Bericht über diese Probleme initiierte eine Reformierung der medizinischen Versorgung von Soldaten und einer Medizinschule für das Militär. Besonders hervorstechend in Nightingales Arbeit war der akribische und datenorientierte Ansatz, den sie mit Hilfe einfacher Grafiken überzeugend vermitteln konnte.
LOUIS PASTEUR (1822-1895)
Flüssige Lebensmittel zu konservieren, wird heute unter anderem als „Pasteurisierung“ gekannt. Durch das Erhitzen von Lebensmitteln unterhalb von 100°C werden Mikroorganismen abgetötet, die die Lebensmittel schneller verderblich machen.
JOSEPH LISTNER (1827-1912)
Durch den Einsatz von Phenolnebel kurz vor Operationen über Instrumente, Hände der Ärzte und den Wunden konnte der Mediziner die Sterblichkeitsrate an Infektionskrankheiten nach der Operation von 50% auf 15% senken. Das Abtöten von Bakterien durch das Phenol mit seiner antiseptischen Wirkung verbesserte die Krankenhaushygiene enorm. Basis seiner Erkenntnisse lieferte Louis Pasteur mit seiner Forschung über Gärungs- und Fäulnisprozesse.
WALTHER HESSE (1864-1922)
Das häufigere Auftreten von Lungenkrankheiten bei Bergarbeitern veranlasste ihn, eine Verbindung zwischen der Umwelt und Krankheiten zu ziehen. Durch Interviews, Autopsien, Krankenfälle und Umweltmessungen konnte er eine deutliche Beziehung zwischen Krebs und der Arbeit im Bergwerk zeigen. Erste Arbeiten zur Arbeitshygiene entstanden. 1881 arbeitete er im Laboratorium von Robert Koch, wo er die Zellkultivierung mithilfe des Einsatzes von Agar-Agar als Nährboden revolutionierte.
20. Jahrhundert NEUERE ENTWICKLUNGEN
RICHARD DOLL (1912-2005) & AUSTIN HILL (1879-1991)
Grundlegende Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs.
Literatur
Snow SJ. John Snow: the making of a hero? The Lancet 2008; 372: 22–23.
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