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AutorenbildLaura Pfrommer

Wie legt Ihr fest, was welchen Einfluss auf die Gesundheit hat?


Neben der reinen Beschreibung von Krankheitshäufigkeiten geht es in der Epidemiologie vor allem darum, Ursachen von Krankheiten herauszufinden. Dies tun wir, in dem wir Risikofaktoren analysieren. Ein Risikofaktor ist ein Faktor (z. B. eine Verhaltensweise, eine genetische Vorbelastung oder äußere Umstände), der mit der Häufigkeit dieser Erkrankung zusammenhängt, und zwar so, dass bei denjenigen, die diesen Faktor aufweisen (also z. B. dieses Verhalten zeigen), diese Krankheit häufiger auftritt. Daneben gibt es aber auch Faktoren, die positiv mit der Gesundheit zusammenhängen (sogenannte protektive Faktoren) – wie körperliche Bewegung oder eine gesunde Ernährungsweise. Als Epidemiologen und Epidemiologinnen möchten wir herausfinden, welche Faktoren der Gesundheit schaden und welche sie fördern. Hierfür bedienen wir uns verschiedener methodischer Vorgehen und statistischer Maßzahlen (sogenannter Zusammenhangs- und Effektmaße).


Vereinfacht wird dabei meist so vorgegangen, dass die Häufigkeit einer Erkrankung zwischen zwei Personengruppen verglichen wird. Wir vergleichen

  • Personen, die einem möglichen Risikofaktor (z. B. Rauchen) ausgesetzt sind/waren (wir sprechen von exponierten Personen) mit

  • ­ Personen, die diesem Risikofaktor nicht ausgesetzt sind/waren (nicht exponierte Personen).

Wir vergleichen also erkrankte Personen mit nicht erkrankten Personen hinsichtlich ihres Expositionsstatus (exponiert vs. nicht exponiert).


Angenommen wir möchten wissen, ob das regelmäßige Trinken von Softdrinks mit der Entstehung von Bluthochdruck zusammenhängen könnte. Wir beobachten dafür eine Gruppe von 1.000 zufällig ausgewählten Personen, die noch keinen erhöhten Blutdruck haben, über einen Zeitraum von 5 Jahren. Wir erheben außerdem, wer wie regelmäßig Softdrinks zu sich nimmt. Am Ende unserer Studie könnte sich folgendes Bild ergeben:



Die Abbildung stellt eine sogenannte 4-Felder-Tafel dar. Wir sehen, dass von den 500 Personen, die regelmäßig Softdrinks zu sich nehmen, 200 am Ende unserer Beobachtungszeit erhöhten Blutdruck haben. Eine solche Tabelle wird häufig verwendet, um sich einen Überblick über die erhobenen Daten zu verschaffen. Gleichzeitig kann sie genutzt werden, um verschiedene Maßzahlen zu berechnen, z.B. das Relative Risiko.

Dieses gibt an, ob und wie stark sich exponierte und nicht exponierte Personen hinsichtlich ihres Erkrankungsrisikos unterscheiden. So können Aussagen darüber getroffen werden, ob die Exposition – hier der regelmäßige Konsum von Softdrinks – das Erkrankungsrisiko erhöht.


Ein „Risiko“ ist eine Wahrscheinlichkeit und kann daher Werte zwischen 0 % und 100 % annehmen. In der Epidemiologie wird mit dem Risiko meist die Wahrscheinlichkeit beschrieben, dass eine Person in einer Stichprobe erkrankt ist; meist unter der Voraussetzung, dass sie exponiert bzw. nicht exponiert war. Es gibt also das Risiko der Exponierten zu erkranken (in unserem Beispiel sind das 200 von 500 Personen und somit 0,4 oder 40 %) und das Risiko der Nichtexponierten zu erkranken (in unserem Beispiel sind das 100 von 500 Personen und somit 0,2 oder 20 %). Das Relative Risiko ist dann das Verhältnis dieser beiden Risiken.


In unserem Fall sieht die Berechnung des Relativen Risikos somit folgendermaßen aus:




Das Relative Risiko beträgt hier 2. Das bedeutet, dass in unserer Studie das Risiko Bluthochdruck zu entwickeln bei Personen, die regelmäßig Softdrinks konsumierten, doppelt so hoch ist wie bei Personen, die dies nicht tun. Hätte das relative Risiko = 1 betragen, so hätte das bedeutet, dass es keinen Unterschied hinsichtlich des Erkrankungsrisikos zwischen den Exponierten und den Nichtexponierten gibt. Das Risiko zu erkranken wäre in beiden Gruppen gleich hoch. Ein relatives Risiko, das kleiner ist als 1 bedeutet, dass es sich bei dem Einflussfaktor um einen protektiven Faktor handelt. Einen negativen Wert kann das Relative Risiko nicht annehmen.


Das Beispiel gerade hat sehr vereinfacht dargestellt, wie untersucht werden kann, inwiefern ein bestimmter Faktor mit dem Gesundheitszustand einer bestimmten Gruppe zusammenhängt. Eine solche Analyse stellt sich in der epidemiologischen Realität jedoch etwas komplizierter dar. So werden neben dem zu untersuchenden Risikofaktor noch weitere Faktoren berücksichtigt, die sowohl mit dem interessierenden Endpunkt (z. B. Bluthochdruck) als auch mit dem untersuchten Risikofaktor (z. B. Konsum von Softdrinks) in Verbindung stehen. Diese Faktoren sind sogenannte Störgrößen oder Confounder. In unserer obigen Untersuchung könnte dies möglicherweise das Geschlecht sein; z. B. wenn Männer sowohl häufiger an Bluthochdruck erkranken als auch häufiger Softdrinks zu sich nehmen. Solche Störgrößen müssen in den entsprechenden statistischen Analysen berücksichtigt werden (man sagt auch, es wird für sie „kontrolliert“), da ansonsten der eigenständige Einfluss eines Faktors auf eine bestimmte Erkrankung verfälscht wird.


Neben dem Relativen Risiko gibt es außerdem noch weitere Maßzahlen, die den Effekt eines Risikofaktors bestimmen, z. B. das Odds Ratio. Je nach Art der durchgeführten Studie werden bestimmte Maßzahlen genutzt, um den Stellenwert eines Risiko- oder protektiven Faktors zu beziffern.

Bei all diesen Maßzahlen handelt es sich um sogenannte Effektschätzer. Das bedeutet, dass ein in einer Studie gefundenes Relatives Risiko von 2 das „tatsächliche“ Relative Risiko nur schätzen kann. Wir schließen also von den Menschen in unserer Studie auf eine sogenannte Grundgesamtheit, aus der wir unsere Studienpopulation gezogen (im besten Falle zufällig ausgewählt) haben.

Bei all diesen Maßzahlen handelt es sich um sogenannte Effektschätzer. Das bedeutet, dass ein in einer Studie gefundenes Relatives Risiko das „tatsächliche“ Relative Risiko nur schätzen kann. Wir schließen also von den Menschen in unserer Studie auf eine sogenannte Grundgesamtheit.

Nehmen wir an, in unserer Studie von vorhin waren ausschließlich Männer zwischen 30 und 40 Jahren mit Wohnort in Baden-Württemberg. Dann lassen unsere Ergebnisse auch nur Rückschlüsse auf eben solche Menschen zu, für die genau das zutrifft. Da wir eben nicht alle Männer zwischen 30 und 40 Jahren aus Baden-Württemberg untersuchen können, schätzen wir ihr Risiko auf Basis unserer Studienergebnisse.

Eine solche Schätzung geht immer mit einer gewissen Unsicherheit einher. Deshalb muss auch für jede Maßzahl, die als Ergebnis einer Studie berichtet wird, ein sogenanntes Konfidenzintervall berichtet werden, das diese Unsicherheit beziffert. Auch wird der entsprechende p-Wert angegeben. Dieser zeigt an, ob das Ergebnis statistisch signifikant ist. Wer mehr über Konfidenzintervalle, p-Werte und statistische Signifikanz lesen möchte, findet am Ende des Artikels entsprechende Literaturverweise.


Wir können also festhalten, dass ein Epidemiologe oder eine Epidemiologin nicht festlegt, was welchen Einfluss auf die Gesundheit hat. Wir versuchen, einen Zusammenhang, der in der Realität existiert – oder nicht existiert – zu erfassen und zu beziffern, ihm also einen beurteilbarbaren Wert zuzuweisen. Dies geschieht durch die Berechnung von Maßzahlen (wie dem Relativen Risiko) und entsprechenden Konfidenzintervallen. Dabei ist es wichtig, mögliche Störgrößen zu berücksichtigen und die Population, über die man eine Aussage treffen möchte, genau zu beschreiben. Je besser die Studie durchgeführt wird, umso besser ist die Schätzung des Zusammenhangs zwischen Risikofaktor und Gesundheitszustand. Grundsätzlich werden Ergebnisse aus epidemiologischen Studien aber immer Schätzungen bleiben, da nie alle Störgrößen erhoben oder alle Menschen untersucht werden können. Dennoch liefern gut geplante und durchgeführte Studien, die Fehlerquellen im Studiendesign und der Datenerhebung und -auswertung berücksichtigen, aussagekräftige Ergebnisse. Können entsprechende Zusammenhänge zusätzlich immer wieder an verschiedenen Stichproben gezeigt werden, ist dies der bestmögliche Beweis für einen tatsächlichen Zusammenhang. Solche epidemiologischen Ergebnisse bilden die Grundlage für Aufklärung darüber, was der Gesundheit schadet und was der Gesundheit guttut – und letztlich für entsprechende Präventionsmaßnahmen.


Ein Epidemiologe oder eine Epidemiologin legt nicht fest, was welchen Einfluss auf die Gesundheit hat. Ein Zusammenhang, der in der Realität existiert – oder nicht existiert – wird erfasst und ihm wird einen beurteilbarbarer Wert zugewiesen. Dies geschieht durch die Berechnung von Maßzahlen und entsprechenden Konfidenzintervallen. Mögliche Störgrößen werden dabei berücksichtigt. Je besser die Studie durchgeführt wird, umso besser ist die Schätzung des Zusammenhangs zwischen Risikofaktor und Gesundheitszustand.

Literatur

Centers for Disease Control and Prevention (CDC). (2012). Principles of Epidemiology in Public Health Practice: An Introduction to Applied Epidemiology and Biostatistics (3rd ed.). Atlanta: U.S. Department of Health and Human Services.


Ressing, M., Blettner, M. & Klug, S. J. (2010). Auswertung epidemiologischer Studien: Teil 11 der Serie zur Bewertung wissenschaftlicher Publikationen. Deutsches Ärzteblatt International, 107(11), 187–192. https://doi.org/10.3238/arztebl.2010.0187


Sauerbrei, W. & Blettner, M. (2009). Interpretation der Ergebnisse von 2x2-Tafeln: Teil 9 der Serie zur Bewertung wissenschaftlicher Publikationen. Deutsches Ärzteblatt International, 106(48), 795–800. https://doi.org/10.3238/arztebl.2009.0795


Mehr zu „p-Wert“ & „statistischer Signifikanz“:

­ Etwas einfacher erklärt (Video): https://www.youtube.com/watch?v=lH6R8BlFYVE


Mehr zu „Konfidenzintervallen“:



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